Bußgeld für Blitzer-App - auch wenn sie nicht der Fahrer öffnet

 

Ein Verkehrsteilnehmer fuhr in Heidelberg in seinem PKW, teilweise mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit. Vor stationären Geschwindigkeitsüberwachungen bremste er auffällig ab. Er achtete nämlich auf das Mobiltelefon seiner Beifahrerin.  Dort lief eine App zur Anzeige von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen, die die Beifahrerin aktiviert hatte. Bei einer Polizeikontrolle versuchte der Fahrer, das Mobiltelefon zu verbergen, was ihm jedoch nicht gelang. Die Polizisten wurden aufmerksam und stellten fest, dass eine sogenannte "Blitzer-App" lief.

Der Betroffene wurde wegen vorsätzlichen Mit-Sich-Führens eines betriebsbereiten technischen Geräts, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen (§ 23 Abs. 1c StVO), zu einer Geldbuße von 100 € durch das Amtsgericht Heidelberg verurteilt. Der § 23 StVO, der die sonstigen Pflichten des Fahrzeugführers regelt, enthält seit einigen Jahren auch neben dem Verbot der Handynutzung auch das Verbot, elektronische Geräte zu nutzen, die beispielsweise Geschwindigkeitsmessungen, Abstandsmessungen und Rotlichtblitzer anzeigen und davor mittels Signalton warnen.

Der Autofahrer war der Meinung, wenn er selbst die App nicht auf seinem Mobiltelefon nutze, sondern "nur" die Beifahrerin sei die Verurteilung zu unrecht erfolgt.  Er stellte Antrag auf Zulassung zur Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe gegen das Urteil des Amtsgerichts.

Das Gerät habe sich nicht in seinem unmittelbaren Zugriff befunden, sondern es sei das Gerät der Beifahrerin gewesen, das er auch nicht ohne Weiteres an sich nehmen und aufgrund der PIN-gesicherten Tastensperre auch nicht bedienen könne. Der Beifahrerin sei die Nutzung anders als dem Fahrzeugführer auch nicht verboten.

Das OLG Karlsruhe hielt die Rechtsbeschwerde des Betroffenen für unbegründet, OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.02.2023 - 2 ORbs 35 Ss 9/23.

Ein Verwenden liege nämlich auch dann vor, wenn der Beifahrer mit Billigung des Fahrzeugführers eine solche Blitzer-App auf seinem Mobiltelefon öffnet und der Fahrzeugführer bei seiner Fahrt die Informationen der Telefon-App nutzt, um Verkehrsüberwachungsmaßnahmen zu entgehen. Das Verwenden sei nicht notwendigerweise auf ein im Eigentum des Fahrers stehendes Telefon begrenzt, auch müsse er die App nicht selbst bedienen.

Das OLG Karlsruhe beschäftigte sich damit als erstes Obergericht mit dieser Frage. Leider gab der Sachverhalt keinen Anlass, die Grenze des Verwendens zu definieren. Das situative Verwenden durch den Fahrer, der auf die Warntöne des Telefons reagiert hatte und sein Fahrverhalten danach richtete, war eindeutig.

Erlaubt ist aber beispielsweise, mit einer Blitzer-App vor Fahrtantritt eine Routenplanung durchzuführen und sich über die bekannten - vor allem stationären - Verkehrsüberwachungsmaßnahmen zu informieren. Nur die aktuelle "Live-Übertragung" solcher Informationen während der Fahrt ist ordnungswidrig.

Hätte die Beifahrerin den Ton ausgemacht und den Fahrer ganz allgemein auf kommende Blitzer oder ähnliches auf der Route hingewiesen, wäre eine Verurteilung wohl nicht möglich gewesen.

Auch ist eine regelhafte Überprüfung von Mobiltelefonen im Auto auf das Vorhandensein solcher Apps nicht erlaubt. Die kontrollierenden Polizeibeamten müssten zumindest einen Anfangsverdacht haben, dass durch Nutzung einer verbotenen App eine Ordnungswidrigkeit begangen wird. Dies ist beispielsweise denkbar, wenn auf einem Telefon bei eingeschaltetem Display die Anzeige einer solchen App erkennbar ist und die Polizeibeamten dies bemerken.

Dabei ist es auch wichtig zu wissen, dass man als Fahrzeugführer weder verpflichtet ist, im Rahmen einer Kontrolle sein Telefon auszuhändigen, noch gar die PIN-Nummer zu offenbaren oder das Handy sonstwie zu entsperren: im Gegenteil ist es oft ein Grundsatz der Verteidigung in solchen Situationen, zunächst vom Schweigerecht Gebrauch zu machen, nicht zu angeblichen Vorwürfen Stellung zu nehmen und auch nicht an der eigenen Überführung durch Übergabe des Telefons oder Entsperren mitzuwirken.

Denn tatsächlich werden die Voraussetzungen einer Beschlagnahme oder kriminaltechnischen Untersuchung des Telefons oftmals nicht gegeben sein - die Polizeibeamten dürfen häufig nicht gegen Ihren Willen Zugriff auf das Telefon nehmen. Aber wenn Sie freiwillig sich mit allem einverstanden erklären - und sei es aus einem falschverstandenen Gefühl der Verpflichtung heraus - ist die Maßnahme nicht überprüfbar und die Polizei darf gegen Sie verwenden, was auf dem Telefon aufgefunden wird.

Daher sollte in einer Kontrollsituation mit großer Vorsicht auf Fragen nach dem Telefon und Einsichtnahme reagiert werden. Am besten sagen Sie nichts und widersprechen allen Maßnahmen, die Ihrer Überführung einer begangenen Ordnungswidrigkeit dienen sollen. Dann haben Sie jedenfalls für eine erfolgreiche Verteidigung schon die optimale Ausgangslage geschaffen.

In Fragen des Verkehrsstrafrechts und der Verkehrsordnungswidrigkeiten isind unsere Fachanwälte für Verkehrsrecht Miriam Tietjen und Sebastian Schlüter gerne für Sie da. Sprechen Sie uns an!

 

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